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Werner Klippert gestorben

Wir trauern um Werner Klippert.

Er starb am 19. November in Sulzbach im Alter von 101 Jahren.

 

1923 in Offenbach am Main geboren, hat Klippert (nach Weltkrieg und schwerer Verwundung) in Frankfurt am Main Germanistik, Geschichte, Philosophie und Theaterwissenschaft studiert, war Gymnasiallehrer und Hochschuldozent – vielleicht ist nicht so sehr bekannt, dass er den ersten Lehrauftrag Über Theorie und Praxis des Hörspiels an einer deutschen Universität initiiert und auch ausgeführt hat. Mit dem Hörspiel hat Werner Klippert sich jahrzehntelang beruflich bei verschiedenen Hörfunksendern beschäftigt, als Autor und Rezensent, Dramaturg und Regisseur, zuerst beim Hessischen, ab 1967 beim Norddeutschen, zuletzt als Abteilungsleiter Hörspiel beim Saarländischen Rundfunk von 1970 bis 1986.

2002-2014 arbeitete er im Vorstand des VS Saar mit, danach war er unser Ehrenvorstandsmitglied.

 

Werner Klippert kann als großer Mann des deutschen Hörspiels gelten – auf der Produzenten-, auf der dramaturgischen, auf der theoretischen Seite. Das so genannte Neue Hörspiel war seine Lebensaufgabe. Er hat mit seiner Arbeit als Hörspielkritiker, Pädagoge, Dramaturg, Autor, Theoretiker und Didakt die Hörspielarbeit gegen und mit allen modischen Neuerungen auf eine feste Basis gestellt und damit dem Hörspiel alle seine reichen Möglichkeiten offen gehalten.

 

In seinem Buch Elemente des Hörspiels (gilt heute noch als Standardwerk) entwarf Werner Klippert eine strukturelle Typologie des Hörspiels aus den technischen Grundlagen und Randbedingungen wie Ton und Geräusch, Wort und Stimme.

 

Sein größtes Verdienst für die Kunst ist wahrscheinlich, die zeitgenössischen französischen Literaturexperimente (etwa der Oulipo) vermählt zu haben mit der in Frankreich wenig bekannten Kunstform Hörspiel. Er hat sie mit französischem Avantgardeimpuls befeuert durch Produktionen wie etwa George Perecs und Eugen Helmlés Tagstimmen (SR 1971). Hier trafen sich kongenial zwei Dinge: Die Stimme als Grundelement, als archimedischer Punkt zur Erklärung des Hörspiels (Klippert) mit der onomatopoetischen Experimentierfreude des ›Ouvroir de littérature potentielle‹, diesem ›Möglichkeits-Literaturwerk‹.

 

Und außerdem verteidigte er die einzige genuine Darstellungskunst, die der Hörfunk hervorgebracht hat (so Klippert selbst) sein Leben lang leidenschaftlich gegen die schleichende Verdrängung aus dem Programm im Zuge der Einsparungen, durchgedrückt von Kunst-ignoranten Rundfunkmanagern.

 

1977 leitete Werner Klippert die Elemente des Hörspiels mit dem Satz ein: In dem Augenblick, in dem dieses kleine Buch erscheint, ist die rundfunkpolitische Lage in der Bundesrepublik Deutschland instabil, und es zeichnen sich beunruhigende Tendenzen ab. Der öffentlich rechtliche Rundfunk gerate in Gefahr, seine Selbständigkeit und damit seine kulturelle Potenz einzubüßen. Parteien- und Wirtschaftsinteressen nehmen immer unverhohlener Einfluß. Diesen Gruppen ist das letztlich unkontrollierbare Artefakt Hörspiel lästig, weil es den Angeboten unterschwelliger Propaganda und offener Reklame Abbruch tut.

 

Bestürzend, wie aktuell das noch heute ist. Im autobiografischen Buch Chefs oder das Medium bin ich erzählt Klippert von seiner beruflichen Situation als Abteilungsleiter im Funk, seine Programmvorstellungen und den Kampf gegen seine Chefs und ihre Massenbeglückungsabsichten – es ist Bellum gallicum, Narrenschaukel und poetisches Vermächtnis in Einem.

 

Er war davon überzeugt, dass das Hörspiel die Souveränität der Hörerinnen und Hörer fördert und blieb auch nach seinem Arbeitsleben (etwa als Mitglied des SR-Rundfunkrats) empfindlicher Seismograf für die allmähliche Erosion der Kunst im Funk und das Davonstehlen der öffentlich-rechtlichen Sender aus ihrem Kulturauftrag.

 

Obwohl Werner Klippert nie den Kontakt zu seiner Heimatstadt Offenbach am Main verlor (dort findet er auch seine letzte Ruhestätte), wurde er heimisch im Bliesgau. In seiner Kriminalerzählung Schlehenschnaps wird der Bürgermeister von Kleinblittersdorf vergiftet und ins Auersmacher Kalkbergwerk geworfen.

Sehr gerne denken wir zurück an die gastfreundichen Feste in und um Klipperts Wohnhaus in Bliesgersweilermühle mit Schlehenschnaps und weitem Blick über die Bliesgauhöhen – Werner muss doch Alfred Döblins Ritthofgespenst noch aus eigener Anschauung gekannt haben!

Und wer wird jetzt mit uns Schiffchen fahren saarauf saarab an jedem fünften Geburtstag?

 

(Klaus Behringer)

 

Topicana Nr. 38: Irina Rosenau — Filmoskop. Erzählungen

Topicana Nr. 38

Irina Rosenau

Filmoskop. Erzählungen

Autobiographisch gefärbte Momentaufnahmen, Bildfragmente, Erzählungen: Kindheit beim Appell, am Fahnenmast, auf einem Datscha-Grundstück, in einer Idylle mit Anzeichen eines nahen Unglücks, im Überwinden einer Ideologie und abwertender Urteile, im archaischen Flüstern einer Heilerin und im Nachdenken über ljubou, Liebe, in einer Erfahrung versprechenden und Gewalt bringenden Nacht der Sommersonnenwende, ein Aufleben im Abschied von einem Traum, im Wiederentdecken der Heimatstadt und im Abschied von ihr, am Ende der früheren Welt angesichts einer Katastrophe und am Beginn eines neuen Lebens aus dem Schmerz einer Transformation heraus.


Irina Rosenau, geboren in Belarus, hat Sprach- und Literaturwissenschaft in Minsk, Saarbrücken und Pisa studiert, danach als Lehrbeauftragte für Komparatistik an der Universität des Saarlandes gearbeitet. 2019 erhielt sie den Hans-Bernhard-Schiff-Preis für Literatur, 2020 erhielt sie das Schreibresidenzstipendium Printemps Poétique Transfrontalier. Sie war zweimal Finalistin des Edit-Essaypreises, 2021 und 2023. Veröffentlichungen in Zeitschriften: Cahiers Luxembourgeois, Edit, Saarbrücker Hefte, SAND, STRECKENLÆUFER u.a.

 

 

Der Band erscheint als Nr. 38 der Buchreihe Topicana in der Edition Saarländisches Künstlerhaus.

 

144 S., 2024  ISBN: 978-3-910608-14-6   € 12,00

Vortragsreihe ›Erinnerungskulturen. Dialog, Diskurs, Dissens‹

28. 10. 24 bis 3. 2. 25, montags 19 Uhr im Filmhaus Saarbrücken

In Kooperation mit der HBK Saar und der Rosa-Luxemburg-Stiftung lädt der VS Saar vom 28. Oktober 2024 bis 3. Februar 2025 ein, die komplexen und kontroversen Debatten zur Erinnerungskultur aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten. 

 

Wie wir – einzeln und gemeinsam – mit Erinnerung umgehen, wirkt sich aus auf die Wahrnehmung gesellschaftlicher Prozesse und Probleme. Gerade jetzt, in einer Vielzahl von Konflikten, deren Beginn weit in die Vergangenheit reicht, ist es wichtig, sich mit den Praktiken der Erinnerungskultur auseinanderzusetzen: Wie und warum erinnern wir uns an welche historischen Ereignisse und Erfahrungen? Welche Rolle kann kritisches Erinnern im Alltag spielen? Wie viel Zukunft steckt in gemeinsam erinnerter Vergangenheit?

 

Unsere Vortragsreihe bringt Expertise aus verschiedenen Forschungsfeldern zusammen. Mit dabei sind die Kulturwissenschaftlerin Prof. Dr. Aleida Assmann, der Historiker und Antisemitismus-Experte Prof. Dr. Moshe Zimmermann, der Jurist und Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Rudolf Steinberg, der Psychologe Prof. Dr. Stephan Hau sowie die Direktorin des Fritz Bauer Forums, Dr. Irmtrud Wojak. Das Programm ergänzen die Journalistinnen und Autorinnen Ruth Hoffmann und Charlotte Wiedemann sowie der Historiker Dr. Frank Hirsch. Die Reihe startet mit den Willi-Graf-Biografen Dr. Sabine Grittner und Dr. Peter Goergen.

 

Gemeinsam erweitern wir den Blick auf die Erinnerungskultur, indem wir die vielfältigen Erfahrungen und Erzählungen untersuchen, die unser kollektives Gedächtnis und unsere Identitäten prägen. Die Vortragsreihe bietet Raum für Dialoge und Diskussionen über unterschiedliche Positionen. Vielleicht lassen sich so die großen Erzählungen der Erinnerungskultur weiterentwickeln. Und selbst wenn kein Konsens möglich ist, sollte Raum sein für Austausch.

An den Veranstaltungen im Filmhaus Saarbrücken kann auch online teilgenommen werden. Sie richten sich nicht nur an Studierende und Forschende, sondern an alle interessierten Bürgerinnen und Bürger.
 

Veranstaltungsort: Filmhaus Saarbrücken, Mainzer Straße 8, 66111 Saarbrücken 

Online Plattform: https://www.youtube.com/@erinnerungskulturendialogdisku

Veranstaltungsdatum: ab 28. Oktober bis 3. Februar 2025, montags um 19 Uhr

Initiierung und Moderation: Klaus Behringer, Patric Bies, Prof. Sung-Hyung Cho, Andreas Dury, Prof. Burkard Detzler, Prof. Daniel Hausig, Prof. Indra Kupferschmid, Prof. Georg Winter, Dr. Soenke Zehle

 

Die Vorträge im Einzelnen:

  • 28.10.2024 | Dr. Sabine Grittner & Dr. Peter Goergen, Willi Graf und der Graue Orden: Jugend im Widerstand – Im Zeichen der Freiheit
  • 04.11.2024 | Prof. Dr. Aleida Assmann, Erinnerungskulturen als Dialog
  • 18.11.2024 | Prof. Dr. Moshe Zimmermann, Die Geschichte des Zionismus, Antisemitismus und die deutsche Erinnerung an den Holocaust
  • 25.11.2024 | Ruth Hoffmann, Widerstand gegen das NS-Regime – die geschleifte Erinnerung
  • 09.12.2024 | Prof. Dr. Rudolf Steinberg, Staatsräson: Wer muss sich an was erinnern – und warum?
  • 06.01.2025 | Charlotte Wiedemann, Erinnern ohne Grenzen: Postkoloniale Traumata und der Weg zur globalen Gerechtigkeit
  • 13.01.2025 | Dr. Frank Hirsch, Erinnern ohne Helden: Erinnerungskultur in Deutschland – Diskurse und Vergleiche
  • 27.01.2025 | Prof. Dr. Stephan Hau, Kollektives Erinnern und verfälschende Ritualisierungen – Perspektiven der Bearbeitung kollektiver Traumata
  • 03.02.2025 | PD. Dr. Irmtrud Wojak, Erinnern heißt widerstehen – Die Überlebenden und die nationale deutsche Kultur der Erinnerung

 

Die einzelnen Veranstaltungen: siehe Termine

Web-Datenbank für Honorare bei mediafon

Das Referat Selbstständige von verdi und die BKS (Bundeskommission Selbstständige) haben eine Internet-Datenbank für Honorare eingerichtet. Jeder Selbstständige kann dort nachsehen, ob er selbst für seine Leistung ein angemessenes und übliches Honorar bekommt. Dazu können alle mit Auskünften über ihre eigenen Aufträge, Werk- und Honorarverträge beitragen, gehe es nun um Literatur oder andere Tätigkeiten.
Ihr findet die Honorarumfrage und -datenbank hier auf der Seite von mediafon.net, dem Beratungsnetz für Solo-Selbstständige. Übrigens sind die Beratungen von mediafon für ver.di-Mitglieder kostenlos und die Einträge in der Honorardatenbank sowieso!